Führung in neuen Organisationsformen – Haben Führungskräfte ausgedient?

Unbehagen gegenüber der Art und Weise, wie Führung heute praktiziert wird, ist einer der Treiber, warum die Prinzipien der Selbstbestimmung und Selbstorganisation bereits seit einigen Jahren eine Renaissance erleben. Die Entwicklung ist nicht verwunderlich: Nicht nur die Millennials sind der veralteten Arbeitskultur überdrüssig. Das Leben als Karriereleiter zu leben, Ansehen und Macht als höchsten Gewinn zum Preis von 16-Stunden-Tagen zu erstreben, hierarchische „command and control“ – Kultur zu akzeptieren, – das alles beschreibt eine alte Zeit, die tatsächlich ausgedient hat. Mit dem Wunsch nach gleichberechtigter Mitarbeit an einem Ziel, gilt Führung als das zu Vermeidende und soll durch Selbstorganisation ersetzt werden. Soweit die Theorie.

In der praktischen Umsetzung zeigt sich, worauf besonders zu achten ist:

  1. Führung bleibt ein wesentliches Organisationsprinzip, das gelernt werden muss – besonders bei flachen Hierarchien. Auf das Wesentlichste reduziert bedeutet Führung: Verantwortlich sein und entscheiden – Entscheiden und verantwortlich sein. Diese Aufgaben werden mit dem Abschaffen von hierarchischen Strukturen keineswegs obsolet. Wann auch immer Menschen irgendetwas gemeinsam bewerkstelligen wollen, müssen Entscheidungen getroffen und Verantwortung übernommen werden. Ob mit Hierarchie oder ohne. Sonst rührt sich nichts. Jemand oder viele müssen also führen. Und wenn viele führen, bedeutet das, dass jeder und jede weit über die eigene Fachlichkeit hinaus Führungskompetenz aufweisen muss. Die ist zwar lernbar, aber sie muss auch gelernt werden. Kaum jemand führt rein intuitiv effektiv.

 

  1. Die Selbststeuerung von Teams erfordert von allen Teammitgliedern die Fähigkeit, kompetent zu kommunizieren, Konflikte konstruktiv und offen zu bewältigen und gruppendynamisches Geschehen zu handhaben. Tatsächlich gibt es gute Gründe, wesentliche Führungsaufgaben in die Selbststeuerung von Teams zu integrieren und dabei auf die dauerhafte Installation von hierarchischen Über- und Unterordnungen zu verzichten, weil Komplexität so besser gehandhabt werden kann. Dafür müssen Teammitglieder kompetent kommunizieren, Vereinbarungen zur Entscheidungsfindung treffen und Rollen klären. In der Praxis erweist sich vor allem die Rollenklärung häufig als Stolperstein. Denn nicht jeder und nicht jede tut sich mit dem deutlichen Anwachsen von Verantwortung und Entscheidungsfreiheit leicht. Die Erfahrungen zeigen außerdem, dass oft unterschätzt wird, wie schwierig es ist, das volle Leitungspotenzial eines Teams sicherzustellen.. Dafür bedarf es neben der Steuerung auf sachlicher Ebene, die Kenntnisse, um das implizit immer mitlaufende gruppendynamische Geschehen gemeinsam in konstruktiven Bahnen zu halten.

Fazit: Um die neuen Organisationsformen erfolgreich in Unternehmen umzusetzen, ist es unabdingbar, in die  Führungs-, Kommunikations- und Konfliktbewältigungskompetenzen aller zu investieren. Je geringer die Anzahl der verbleibenden Führungskräfte, umso fähiger müssen diese sich in den Themen Organisationssteuerung und Steuerung von selbstorganisierten Teams erweisen.

 

Noch mehr ins Detail gehen Thomas Schumacher und Rudolf Wimmer in ihrem Text: „Der Trend zur hierarchiearmen Organisation“ Erschienen in der Zeitschrift „Organisationsentwicklung“ 2,2019.